Liebe Freundinnen und Freunde,
NICHT UNGEHALTEN SEIN. – Ich werde weder Ärger noch Groll, Wut oder Rachegedanken hegen. Ich werde Leid in Weisheit umformen. Ich werde alle negativen Erfahrungen in meine Praxis aufnehmen.
Dies ist eines der zehn Kai, die wir in der Zeremonie empfangen, in der wir geloben, den Buddha-Weg zu gehen.
Der japanische Ausdruck Kai wird oft als ‚Gebote‘ übersetzt, aber mir scheint es angemessener, Kai mit ‚Verhaltensweisen eines erwachten Wesens‘ zu übersetzen: Ein erwachtes Wesen, ein*e Buddha, bezieht Position, ohne sich von Ärger, Groll, Wut oder Rachegedanken leiten zu lassen – nicht, weil es von außen geboten wird, sondern weil es in Widerspruch zu seinem/ihrem Sein steht.
Ärger, Groll, Wut und Rachegedanken vergiften unseren Geist. Klar gegen den Krieg Stellung zu beziehen, ohne zuzulassen, dass der Krieg unseren Geist vergiftet, scheint mir eine der Herausforderungen zu sein, vor denen wir derzeit stehen.
Ärger, Groll, Wut und Rachegedanken sind Ausdruck von eigenem Leid. Worunter leiden wir?
Leiden wir mit der Bevölkerung der Ukraine? Leiden wir mit den Frauen und Kindern, die aus der Ukraine fliehen und ihre Männer und Väter zurücklassen? Leiden wir mit den Ukrainer*innen, die in der Ukraine kämpfen? Leiden wir mit den russischen Soldaten, die von ihrer Regierung in den Krieg geschickt wurden? Leiden wir mit den russischen Müttern und Vätern, die um ihre gefallenen Söhne trauern? Setzt unser (Mit-) Leid Prioritäten? Leiden wir mehr unter dem Krieg in der Ukraine als unter anderen Kriegen? Leiden wir unter der Angst, der Krieg in der Ukraine könnte sich bis nach Deutschland ausdehnen? Leiden wir unter der Angst, dass unser Wohlstand den Krieg in der Ukraine nicht überleben wird?
Was lernen wir in diesem und aus diesem Krieg über uns persönlich? Was lernen wir in diesem und aus diesem Krieg über uns als Menschen? Ziehen wir daraus Konsequenzen? Welche?
Papst Johannes XXIII († 1963) hat ‚Zehn Gebote der Gelassenheit‘ formuliert. Eines dieser Gebote lautet:
Nur für heute will ich keine Angst haben. Ganz besonders nicht davor, mich an allem zu freuen, was schön ist, und an die Güte zu glauben.
Herzliche Grüße,
Heinz-Jürgen